In der Antike war der dunkle Norden wie ein Märchenland, wo Himmel, Erde und Wasser
ineinander überzugehen schienen. Bevölkert von reichlich mystischen
Wesen und wilden Barbaren. Die kräftigen Männer gingen furchtlos in
den Kampf - Odin erwartete sie in Walhalla. Aber woran glaubten diese
unerschrockenen Krieger eigentlich?
Im 13. Jahrhundert wurden alte
überlieferte Verse und Lieder auf Pergament festgehalten. Dies war
die so genannte Lieder-Edda. Lange noch hat sich im Norden der
Glauben an die alten Götter gehalten.
In Vorzeiten waren schon Mythen und
Märchen ein Weg, die allgegenwärtige Wahrheit abzubilden. Wobei
Worte poetische Bilder erzeugen, welche die Wirklichkeit und das
dahinter Verborgene abbilden. Dabei erzeugt man oberflächliche
Bilder, doch wichtig ist das, was ihnen zugrundeliegt. Denn Worte
sind eine Folge von Buchstaben. Und Buchstaben, also Runen, haben
jeder für sich wieder eine eigene Magie. Also tauchen wir ein in die
Bilder, die durch diese Worte geformt werden und verschaffen uns
einen Blick auf die Wahrheit dahinter.
Der Anfang
Ganz am Anfang gab es nur Frost und
Hitze. Eine riesige gähnende Schlucht des Nichts tat sich auf –
Ginnungagap. Hier sollte alles Leben seinen Anfang nehmen. Umgeben
war Ginnungagap von Niflheim, einem Ort von Nebel und Frost, auf der
einen Seite und auf der anderen Seite von Muspellsheim, einem
hitzigen Meer aus Feuer. In die gewaltige Leere, aus Licht und
Dunkelheit, kam Bewegung. Der Schnee begann zu schmelzen...
Geformt aus Frost wurde ein gewaltiges
Wesen von der Hitze zum Leben erweckt – der Frostriese Ymir. Die
Tropfen von geschmolzenem Eis formten ein weiteres gewaltiges Wesen,
mit Hörnern und einem riesigen Euter, eine Kuh namens Audhumla. Die
Milch aus dem Euter von Audhumla diente dem Ymir als Nahrung, während
die riesige Kuh die salzigen Eisblöcke leckte.
Eines Tages geschah etwas merkwürdiges.
Als Audhumla einen der Eisblöcke ableckte kam Haar zum Vorschein. Am
nächsten Tag leckte sie weiter und ein Gesicht war zu sehen.
Schließlich am dritten Tag war ein großgewachsener, schöner
Männerkörper freigeleckt – es war Buri, der Stammvater der Asen.
Dem Riesen Ymir wuchsen unter seinen
Achseln ein Mann und eine Frau. Die Füße des Riesen paarten sich
und ein Sohn mit sechs Köpfen kam daraus hervor. Hier ist der
Ursprung der Hrimthursen, also Riesen, Trolle oder auch Jöten.
All diese Wesen lebten in Frieden
miteinander und paarten sich, bekamen Kinder – doch eines Tages kam
Odin, der Sohn der Riesentochter Besla und des Bur, Sohn von Buri,
zur Welt...
Der Aufstand der Asen
Eines Tages hob ein schwerer Kampf an,
denn Odin und seine Brüder, Wili und We, erhoben sich gegen Ymir und
sein Geschlecht. Die Asen waren siegreich und Ymir wurde getötet.
Aus den Wunden des sterbenden Ymir ergossen sich Ströme von Blut in
denen nahezu alle Feinde der Asen ertranken – nahezu alle...
Ein Paar der Jöten verbarg sich in
Niflheim. Audhumla wurde seit diesen Tagen nie wieder gesehen.
Weltall, Erde, Mensch
Mit dem riesigen Körper des Ymir wurde
Ginnungagap bedeckt. Aus dem Blut des Riesen wurde das Meer. Das
Fleisch wurde zu Erde. Die Gebeine wurden zu Gebirgen. Aus Zähnen
und Knochensplittern wurden Steine und Geröll. Die Haare wurden zu
Bäumen und Pflanzen. Das Gehirn des Riesen wurde in die Luft
geworfen, woraus sich Wolken formten. Über all dies wurde die
gewaltige Schädeldecke des Riesen gestülpt und mit Funken aus
Muspellsheim wurde dieses Firmament zum Leuchten gebracht.
Aus dem Fleisch des Riesen krochen
kleine Würmer, aus denen die Zwerge erwuchsen. Diese bewohnen fortan
die Höhlen und Grotten. Einige von diesen Zwergen wurden zu den
Ecken des Firmamentes geschickt – Osten, Westen, Norden und Süden.
So benannte sich Richtung und sinnvolle Ordnung hielt Einzug.
Am Rande des Meeres fanden die Asen
zwei Stämme. Odin hauchte ihnen Leben ein, Wili gab ihnen Verstand
und Bewegung, We formte ihnen Antlitz, Sprache und Gehör.
Ausgestattet mit den Attributen des Lebens, Wärme und Farbe, wurden
sie zu Mann und Frau – Ask und Embla, die Urahnen aller Menschen.
Ein seltsamer Stillstand herrschte in
der nun entstandenen Welt, eine seltsame Abwesenheit von Zeit war im
Raum. Die Asen schickten der Riesenfrau, mit dem Namen Nacht, Pferd
und Wagen, mit welchen sie am Firmament umher fährt. Ihr Pferd
Rimfakse hat Raureif in der Mähne und Schaumtropfen aus seinem
Zaumzeug senken sich als Tau auf Wiesen und Felder. Auch ihrem Sohn,
mit dem Namen Tag, wurde Pferd und Wagen geschickt, mit welchem er
hinter seiner Mutter herfährt. Sein Pferd Skinfakse strahlt und
leuchtet aus seiner Mähne.
Nachdem Sonne und Mond geschaffen
wurden, wurden auch diese auf Wagen verladen. Die Kinder von
Mundilfari haben darauf zu achten, daß sie nicht vom Wagen fallen.
Diese müssen auch die Wagen lenken und darauf achten, nicht von den
riesigen Himmelswölfen eingeholt zu werden.
So entstand der Lauf von Tag und Nacht,
sowie Sonne und Mond. Dieser Lauf vollzieht sich bis in unsere heutigen
Tage, so lange es den Himmelswölfen nicht gelingt, die von den
Kindern Mundilfaris gelenkten Wagen einzuholen, um Sonne und Mond zu
verschlingen...
Die Ordnung der Welt
Inmitten der Welt wurde das Land urbar
gemacht, damit Asen und Menschen dort leben können. Dieser Ort wird
Midgard genannt. Um Midgard herum wurde ein riesiger Wall angelegt,
als Schutz gegen das Wilde und Unbekannte. In dieser äußeren Welt,
beherrscht von Dunkelheit und unheimlichen Kräften, liegen Utgart
und Jötunheim, die Wohnstätten von Trollen und Riesen.
Inmitten von Midgard errichteten die
Asen ihre eigene Wohnstatt, damit die Menschen sich nicht einsam und
verlassen fühlen. Eine mächtige Götterburg, umgeben von dicken
Mauern und Palisaden, erhebt sich dort. Dieser Ort wird Asgard
genannt. Um dorthin zu gelangen, muß man den Regenbogen überqueren.
In die Mitte von Asgard wurde ein riesiger
Baum gepflanzt – Yggdrasil. Die Wurzeln dieser Esche ragen tief,
eine nach Midgard, eine nach Utgard und eine bis weit nach Niflheim
hinein. Dieses ist der Mittelpunkt der Welt, um welchen sich alles
aufreiht, wie die Ringe eines Baumes. So lange die Zweige der
Yggdrasil die Welt überspannen, neue Triebe tragen, grün und
fruchtbar sind, wird die Welt bestehen.
Das Göttergeschlecht der Asen
Vor Urzeiten, noch ziemlich am Anfang
der Welt, gab es zwischen den Göttergeschlechtern der Asen und der
Wanen eine Fehde, um die Vorherrschaft. Die Asen gewannen dieses
Ringen und ebneten Wanaheim ein, auf daß die Burg der Wanen nie
wieder gefunden werden sollte.
Odin ist der Erste unter den Asen. Sein
Tag ist onsdag – der Mittwoch. Er ist weise und ein mächtiger
Zauberer. Sein Speer Gungnir trifft jedes Ziel. Von seinem
prachtvollen Ring Draupnir tropfen jede neunte Nacht acht ebenso
prachtvolle Ringe ab. Odin reitet das achtbeinige Pferd Sleipnir. Die
Raben Huginn und Muninn fliegen allmorgendlich aus in die Welt, um zu
sehen und zu hören. Jeden Abend berichten diese beiden Raben dann
Odin von den Neuigkeiten in der Welt.
Odin wird der Einäugige genannt, weil
er sein zweites Auge verpfändete an den Riesen Mimir, welcher die
Quelle der Weisheit bewachte. So gab Odin für den Trunk aus dieser
Quelle, die Hälfte seines Augenlichts. Eines Tages wurde der Riese
enthauptet. Doch Odin fand das Haupt des Mimir und salbte es mit
Kräutern. Daher öffneten sich die Augen und der Kopf begann zu
sprechen. Seitdem ist dieser einer der besten Ratgeber von Odin.
Odins Gemahlin ist Frigg. Ihr Tag ist
fredag – der Freitag.
Der wohl mächtigste der Götter nach
Odin ist dessen Sohn Thor. Sein Tag ist torsdag – der Donnerstag.
Thor ist ein hitziger und starker Krieger, der es liebt sich im Kampf
mit Riesen und Trollen zu messen. Keine Gelegenheit läßt er dazu
aus und sucht den Kampf. Sein mächtiger Hammer Mjöllnir ist die
gefährlichste aller Waffen. Auf welches Ziel er auch immer
geschleudert wird, trifft Mjöllnir und kehrt immer wieder zurück.
Außerdem kann Mjöllnir so groß oder klein sein, wie es gerade
angebracht erscheint. Auf Reisen spannt Thor Böcke vor seinen Wagen
und wann immer er unterwegs ist donnert und blitzt es am Firmament.
Am Abend kann man seine Böcke schlachten und ihr Fleisch verspeisen,
man muß nur Acht darauf geben, daß jeder einzelne Knochen wieder in
das Fell eingehüllt wird, ohne gebrochen zu sein. Dann am morgen
kann man die Böcke wieder anspannen. Thors Gattin Sif hat goldenes
Haar und ist die schönste unter den Asenfrauen, außer der
Liebesgöttin.
Die Liebesgöttin heißt Freyja. Sie
lehrte die Asen die Kunst der Zauberei und besitzt ein magisches
Gewand aus Falkenfedern, welches ihr jederzeit erlaubt die Gestalt
eines Raubvogels anzunehmen. Ihr Wagen wird von einer Meute Katzen
gezogen. Ein jeder wendet sich an Freyja, wenn er Hilfe oder Trost in
Herzensangelegenheiten benötigt. Doch wird die Liebesgöttin selbst
von unbändigem Kummer geplagt, weil ihr Ehemann eines Tages auszog
und nie wieder zurückkehrte. Oft weint Freyja deswegen Tränen aus
purem Gold.
Der Bruder von Freyja ist Frey, der
'Herr' oder 'Vornehme'. Er ist der Gott der Fruchtbarkeit. Frey
besitzt einen Eber mit goldenen Borsten – Gullinborsti. Dieser kann
sich auf der Erde, in der Luft und im Wasser gleich gut bewegen.
Außerdem besitzt Frey das Schiff Skidbladnir, welches immer in
vollen Segeln fährt und nach Gebrauch einfach zusammengefaltet
werden kann, um in einem Beutel verstaut zu werden.
Die beiden Geschwister stammen aus dem
Geschlecht der Wanen und gerieten einst, zusammen mit ihrem greisen
Vater, als Geiseln zu den Asen.
Viele wundersame Dinge und magische
Schätze gibt es bei den Asen. Hervorzuheben wären noch die Äpfel
der ewigen Jugend, die von der Göttin Idun gehütet werden. Von
diesen Äpfeln essen die Asen regelmäßig, um sich Jugend und Kraft
zu erhalten.
Genauso wie es den Rahmen hier sprengen
Würde alle Wunder und Schätze aufzuzählen, würde es denselben
sprengen alle Söhne Odins aufzuzählen. Aber an einem davon kommt
keiner vorbei – der mächtige Wächter Heimdall. Er wohnt am
Himmelsberg und bewacht Bifröst, die Regenbogenbrücke nach Asgard.
Heimdall braucht weniger Schlaf als ein Vogel, sieht nachts genauso
gut wie am Tage und hört das Gras wachsen. Vor Urzeiten wurde er von
neun Riesenmädchen geboren und eines Tages wird er sein mächtiges
Gjallerhorn blasen, um die Götter zum letzten Kampf zu rufen.
Der Netteste unter den Asen war der
Gott Balder. Er war der Sohn von Odin und Frigg. Balder war bekannt
für seine liebenswürdige Art, Milde und Klugheit. Doch wurde er von
üblen Alpträumen geplagt, die von seinem Sterben kündeten. Seine
Mutter Frigg befragte alle belebten Wesen und unbelebten Dinge. Alle
schworen Balder niemals etwas anzutun. Somit wurde es zum Spaß unter
den Göttern auf den nun unverwundbaren Balder zu schießen, da ihm
nichts etwas anhaben konnte. Doch hatte Frigg vergessen auch die
Mistel zu befragen. Dem Intriganten unter den Asen, Loki, kam das zu
Ohren und das Unheil nahm seinen Lauf. Eines Tages erschoß so der
blinde Höd den Balder, welcher somit ins Totenreich einging. Man
sendete berittene Boten zu Hel, der Königin des Totenreiches, doch
diese ließ verlauten, dass Balder erst wieder zum Leben zurückkehren
kann, wenn alle Welt um ihn weine. Alle Dinge und Wesen, selbst die
Bäume und gar die Steine, versuchen seither Balder wieder in das
Leben zurückzuweinen.
Dieser Loki ist sowieso noch ein Ding für sich selbst, mitsamt seiner illustren
Entourage. Er entstammt
dem Geschlecht der Jöten, vermischte aber in jungen Jahren sein Blut
mit dem Odins und kam so zu den Asen. Loki kann seine Gestalt ändern
und ist bekannt für seine Intrigen und Streiche. Er brachte Odin und
den Asen einige Vorteile ein, durch Schlauheit, List und Tücke. Aber
er verursachte eben auch Nachteile.
Er hat einige Kinder. Mit dem Hengst
Swadilfari wurde er beispielsweise Mutter von Odins Pferd Sleipnir.
Ja Mutter von Sleipnir. Man erinnert sich? Gestaltwandler...
Mit der Jötin Angrboda hat er weitere
Kinder, so den Fenriswolf, die Mitgardschlange und Hel.
Der Fenriswolf wuchs in Asgard auf,
wurde aber bald so gewaltig, wild und wahnsinnig, daß nur Tyr, der
wahrscheinlich sogar Thor an Mut übertrifft, es wagte ihn zu
füttern. Die Zwerge fertigten ihm die Fessel Gleipnir, aus dem
Schall des Katzentritts, dem Bart der Frauen, den Wurzeln der Berge,
den Nerven der Bären, dem Atem der Fische und dem Speichel der
Vögel. Dies ist der Grund, warum es diese Dinge nun nicht mehr gibt.
Es gelang mit List den Fenriswolf damit zu fesseln und ihm mit einem
Schwert den Rachen zu versperren, daß er nicht mehr zubeißen kann.
Die Mitgardschlange Jörmundgand wurde
von den Asen ins Meer geworfen. Dort wurde sie so groß, daß sie die
ganze Welt umspannt und sich selbst dabei in den Schwanz beißt.
Die unheimliche Hel wurde aus Asgard
verwiesen und ließ sich hoch im Norden nieder, wo sie sich ein
eigenes Reich schuf – Das Totenreich.
Loki wurde aufgrund von Verrat an den
Asen und seiner Beteiligung an Balders Tod bestraft. Er wurde
gefesselt, mit den Därmen eines seiner Kinder, an einen Felsen, mit
einer Schlange über seinem Haupt, die giftigen und ätzenden Eiter
auf sein Gesicht tropfen läßt. Nur seine treue Gattin Sigyn harrt
an seiner Seite aus und hält eine Schüssel, um den Eiter
aufzufangen. Manchmal muß sie jedoch die Schüssel ausleeren, dann
tropft Eiter auf Lokis Gesicht und dieser schüttelt den Kopf dann so
gewaltig, daß die ganze Erde bebt.
Hrimthursen, Zwerge, Elfen und
Nornen
In Utgard, der Welt der Chaoskräfte,
lebt das Geschlecht der Hrimthursen – also Jöten und Trolle.
Inmitten der Einöde im rauhen Gebirge liegt Jötunheim. Wie niemand
sonst, sind die Jöten der Zauberkunst mächtig. Einmal
beispielsweise erschufen sie ein riesiges Wesen aus Lehm, einen
furchterregenden Raufbold, neunzig Meilen groß, mit einem
Brustumfang von dreißig Meilen. Die Frauen der Jöten reiten auf
Wölfen, mit einem Zaumzeug aus Kreuzottern. Viele von ihnen sind
häßlich wie die Nacht, aber einige auch wunderschön. So geschah es
oft, daß Odin selbst um diese warb und mit ihnen wilde
Liebesabenteuer hatte.
Über die Herkunft von Zwergen und
Elfen herrscht Uneinigkeit. Einige behaupten, daß sie aus dem selben
Geschlecht stammen. Die Zwerge wohnen gewöhnlich in Felswänden,
zwischen Felsblöcken und im inneren der Erde, überall an geheimen
Orten in Midgart und Utgard. Sie sind bekannt als die besten
Schmiede, aber man kann ihnen nicht trauen. Die Elfen sind eigentlich
jedem gegenüber freundlich gesinnt. Sie haben ein Land das Alfenheim
genannt wird, wobei man sich über dessen Lage uneins ist. So mancher
meint die Zwerge könne man 'Schwarzalfen' nennen, während die Elfen
als 'Lichtalfen' zu bezeichnen wären.
Die Schicksalsgöttinnen oder Nornen,
Urd, Werdandi und Skuld, leben an einer Quelle in Asgard. Sie kennen
das Schicksal jeden lebenden Wesens und wissen, wie es jedem ergeht.
Unter Zwergen und Elfen gibt es wohl auch welche mit solchen
Fähigkeiten. Auch unter den Menschen gibt es Frauen mit besonderen
Fähigkeiten. Eine solche Seherin oder Sibylle wird Wölva genannt.
Sie tragen als Symbol einen Stab, haben übernatürliche Kräfte,
können in Trance mit der Geisterwelt in Verbindung treten und kennen
viele wirkungsvolle Zauberlieder.
Das Jenseits
Die Krieger, die sich in der Schlacht
durch Tapferkeit auszeichnen, kommen wenn sie fallen zu Odin oder
Freyja. Zu diesem Zweck werden Kriegerjungfrauen, die Walküren,
ausgesendet, welche durch die Lüfte reiten und die gefallenen
Krieger von der Walstatt holen. In Asgard werden sie aufgeteilt, ein
Teil kommt zu Odin nach Walhalla, der andere Teil zu Freyja nach
Volkwang.
Über Volkwang gibt es keine Berichte,
dafür umso mehr über Walhalla. Es ist anzunehmen, daß der Ablauf
jeweils ziemlich ähnlich ist in beiden Kasernen. Verletzungen
spielen in Walhalla keine Rolle, sie verheilen immer wieder
vollständig. Daher messen sich die Krieger den ganzen Tag nach Lust
und Laune im Kampf. Am Abend ziehen sie dann als Freunde und
Kameraden in den riesigen Festsaal ein, wo ihnen Walküren reichlich
Met einschenken und ihnen ein riesiges Festmahl bereitet wird. Das
Festmahl besteht aus dem Fleisch des riesigen Schweines Sährimnir,
welches abends geschlachtet wird, aber morgens wieder quicklebendig
ist.
Alle anderen, welche nicht in der
Schlacht und im Kampf ihr Leben lassen, kommen zu Hel. Im Reich von
Hel führen sie ein geborgenes Schattendasein. In früheren Tagen
sagte man, wenn es spukte, hätte jemand die ''Tür von Hel
offengelassen''.
Das Schicksal der Götter – Das
Ende?
Gegen Ende der Zeit bricht Ragnarök
an. Mangel und Unfrieden werden sich ausbreiten und es kommt 'die
Zeit, in der sich alle Mächte auflösen'. Jeder wird auf den anderen
losgehen, sogar Brüder kämpfen gegeneinander und Väter gegen
Söhne. Ein drei Jahre währender Winter wird anbrechen – der
Fimbul. Die Gebirge werden einstürzen und alle Fesseln werden
reißen. Die Himmelswölfe werden Sonne und Mond verschlingen. Der
Fenriswolf wird ohne seine Fesseln, mit weit aufgesperrtem Maul,
durch die ganze Welt laufen, wobei sein Oberkiefer den Himmel und
sein Unterkiefer die Erde berührt. Aus seinen Augen brennt Feuer und
aus seinen Nasenlöchern stoßen Flammen heraus. Loki rüstet sein
Schiff Naglfar, welches aus den ungeschnittenen Nägeln von toten
Menschen erbaut worden ist. Mit einer Besatzung aus wesenden Toten
wird er, mit zerfetzten Segeln, aus dem Totenreich segeln. Die
Midgartschlange wird an Land kriechen und sich über Felder und
Wiesen schlängeln. Im Süden wird das Firmament bersten und aus dem
feurigen Muspellsheim kommt ein gewaltiges Heer glänzender Reiter,
mit flammenden Schwertern setzen sie alles in Brand und die
Regenbogenbrücke bricht unter ihrem Gewicht. An dieser Stelle,
Wigridwall, die hundert Meilen breit und ebenso lang ist, wird die
letzte blutige Schlacht stattfinden. Odin wird vom Fenriswolf
verschlungen. Thor und die Midgartschlange töten einander
gegenseitig, genau wie Loki und Heimdall. Alles wird in Flammen
stehen, auch die Yggdrasil. Wenn der Feuersturm sich ausgetobt hat,
wird der qualmende Rest der Welt im Meer versinken. Nach dem
Versinken des letzten Glühens wird alles in Dunkelheit getaucht...
Doch plötzlich erscheint ein Licht –
erst ganz schwach, dann immer stärker werdend erhebt es sich. Die
Sonne hat eine Tochter geboren! Auch die Erde erhebt sich wieder,
reingewaschen und fruchtbar wird sie grün. Auf Feldern werden
Früchte wachsen, ohne daß sie beackert wurden. Wild und Fische
werden im Überfluß da sein. Über die Welt irren die Zufälligen,
diejenigen welche die Schlacht überlebt haben, und sie suchen nach
Asgard. Doch die Götterburg ist dem Erdboden gleichgemacht. Das Meer
wird ein Menschenpaar freigeben, Liv und Livtrase. Unter den Wurzeln
der Yggdrasil hatten sie Zuflucht gesucht und sich lange Zeit von Tau
ernährt.
Und wieder beginnt ein neuer Kreislauf.
Denn zu allen Zeiten gilt, wo Hoffnung ist, ist auch Leben.
Siehe auch:
Quellen:
Tor Åge Bringsværd: "Norrøn
mytologi", 1994
Rudolf Simek: "Lexikon der
germanischen Mythologie", 1995
"Kommentar zu den Liedern der
Edda", Hrsg. von Klaus von See u. a.
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