„Am Ende waren wir immer voller
Blut, wir wischten uns die Hände an den eigenen Haaren ab … Unsere
Arbeit war kein Zuckerschlecken, wenn einer nicht gleich tot war,
fiel er um und quiekte wie ein Schwein, spuckte Blut, Gebrüll und
Fluchen auf beiden Seiten. Essen durfte man vorher nicht. Am Ende der
Schicht brachte man uns zwei Eimer – einen voll mit Wodka und einen
voll mit Kölnischwasser. Mit dem Kölnischwasser wuschen wir den
ganzen Oberkörper. Blut hat einen intensiven Geruch. Ich hatte einen
Schäferhund, der ging mir immer aus dem Weg, wenn ich von der Arbeit
kam.“ - Bericht eines Henkers
(J. Baberowski, Verbrannte
Erde. Stalins Herrschaft der Gewalt, München (C.H. Beck) 2012,
ISBN 978-3-406-63254-9.)
Vom Hirtenjungen
zum Tschekisten
Als Sohn einfacher
Bauern wurde Wassili Maichailowitsch Blochin am 7. Januar 1895 in
Gawrilowskoje in einfachen Verhältnissen geboren. Ab seinem 10.
Lebensjahr arbeite er als Hirtenjunge in der Gemeinde Turow und ab
dem 15. Lebensjahr als Maurer für einen Bauunternehmer in Moskau. Im
Jahre 1915 wurde er geworben für das 82. Reserve-Infanterieregiment
und wurde dort zum Unteroffizier befördert. Am 2. Juni 1917 wurde
Blochin, mittlerweile Feldwebel im 218. Infanterieregiment, an der
deutschen Front verwundet und befand sich bis Dezember 1917 im
Lazarett in Polozk. Bis Oktober 1918 blieb er in seinem Heimatdorf
und trat dann in die Rote Armee ein. Im April des Jahres 1921 wurde
er Mitglied der kommunistischen Partei. Am 25. Mai 1921 wurde Blochin
in das 62. Btaillon der Tscheka, der späteren Staatssicherheit,
versetzt.
Karriere als
Chefhenker
Nun machte Blochin
Karriere als Tschekist. Ab November 1921 war er Angehöriger einer
Spezialeinheit der Tscheka, wo er ab Mai 1922 Zugführer wurde. Am
16. Juli 1924 wurde er stellvertretender Kommandeur der 61. Division
für besondere Aufgaben der OGPU. Die OGPU ging aus der Tscheka
hervor und bildete nun die Staatssicherheit der 1922 gegründeten
Sowjetunion. (Diese Organisation wurde öfter umbenannt und
umstrukturiert, bis sie schließlich die Form des allseits bekannten
KGB annahm.) Am 22. August 1924 wurde Blochin zum Sonderkommisssar
des OGPU ernannt und zu seinen Aufgaben gehörten Hinrichtungen.
Tatsächlich fand sich ab 1925 regelmäßig Blochins Unterschrift
unter den Hinrichtungsprotokollen. Nebenbei absolvierte Blochin ein
Fernstudium im Bauingenieurwesen am Institut für Weiterbildung von
Facharbeitern.
In seiner Funktion als sozusagen 'Chefhenker' hatte Blochin die offizielle Funktion eines Kommandeurs des internen Gefängnisses in der Ljubljanka,
dem Hauptsitz der Staatssicherheit. Diese offizielle Funktion
ermöglichte es ihm, seine Arbeit mit einem Höchstmaß an Diskretion
durchführen zu können. Auch wenn die meisten der Hinrichtungen in der Stalinzeit
von lokalen Mitgliedern der Staatssicherheit ausgeführt wurden, lag die
Fachaufsicht meistens bei den zentralen Dienststellen. Neben der
operativen Fachaufsicht betätigte sich Blochin
auch selbst als Henker, vor allem, wenn es um ehemals hochgestellte
Personen ging. So führte er persönlich die Hinrichtungen durch bei den
Verurteilten aus den Moskauer Schauprozessen und seinen eigenen
ehemaligen Vorgesetzten Jagoda und Jeschow. Als der neue Geheimdienstchef Berija ihn loswerden wollte, wäre Blochin fast selber exekutiert worden, doch Stalin höchstpersönlich strich ihn von der Liste.
Der Mann mit der
Lederschürze
Der Chef des NKWD in der Oblast Kalinin (heute Twer), Dmitri Tokarjew, berichtete: “Auf unserem Weg ... erblickte ich den ganzen Schrecken… Blochin
hatte seine Spezialkleidung dafür: eine braune Lederkappe, eine lange
braune Lederschürze, braune Lederhandschuhe mit Stulpen, die bis über
die Ellbogen reichten. Das machte auf mich einen gewaltigen Eindruck.
Ich hatte einen Henker vor mir!” Unter Blochins Aufsicht wurden in Kalinin im Frühjar 1940 über 7000 polnische Kriegsgefangene exekutiert. Diese Exekutionen waren Teil des Massakers von Katyn.
Die Gefangenen wurden dazu in einen rot gestrichenen Vorraum geführt, angeblich zur Feststellung der Identität, bevor sie ergriffen und gefesselt in den Exekutionsraum
geschafft wurden. Dieser Raum war schalldicht präpariert und mit einem
Ablauf für das Blut ausgestattet. Dort wurden die Gefangenen von Blochin
in Empfang genommen. Dieser erwartete in oben erwähntem Aufzug, also
Lederschürze, Mütze, Handschuhe und Gummistiefel, hinter der Tür die
Gefangenen, welche dann mit einem Schuss in den Schädel, ohne weitere Formalitäten, exekutiert wurden. Dazu verwendete er Pistolen des Herstellers ''Walther'',
wie sie in deutschen Polizei- und Geheimdienstkreisen verwendet wurden.
Davon hatte er mehrere in einer Aktentasche dabei. Er bevorzugte dieses
Fabrikat, weil es beim intensiven Gebrauch zuverlässig war und außerdem
den Vorteil bot, dass bei einer späteren Entdeckung der Leichen, es
einfacher war die Hinrichtungen den Deutschen anzulasten. Etwa 30
Mitarbeiter des NKWD
waren an der Operation beteiligt. Die Exekutionen wurden meist nachts
durchgeführt. Auch wenn er teilweise abgelöst wurde, zog es Blochin vor den größten Teil der Exekutionen eigenhändig auszuführen.
Tod und Nachruhm eines Henkers
Nach Stalins Tod wurde der Mann für
die ''schwarze Arbeit'', wie es Stalin auszudrücken pflegte, in der
Form nicht mehr gebraucht. Der Chef der Staatssicherheit Berija, noch
höchstpersönlich, versetzte Blochin, unter Anerkennung seiner
''hervorragenden Dienstauffassung'', in den Ruhestand, bevor auch er
hinwegentstalinisiert wurde.
Im Zuge der Chruschtschow Ära wurden
Blochin seine Auszeichnungen, sein Rang und die Rente aberkannt. Er
soll daraufhin in schwere psychische Erkrankung versunken sein, sich
dem Alkoholismus hingegeben haben, um schließlich durch Suizid,
einem Henker seines Ranges durchaus würdig, aus dem irdischen Dasein
zu scheiden. Andere Quellen berichten davon, dass er selbst seinen
Henker getroffen haben soll und durch dessen Kugel seines Atems
beraubt wurde. Beides sowohl standesgemäß, als auch nur zu
folgerichtig, zum Beschließen eines solchen Lebens. Doch meist gilt
ja: Je banaler, desto wahrscheinlicher. Wieder andere sagen nämlich
aus, dass er ganz banal an den Folgen eines Herzinfarktes verstorben
sein soll, am 3. Februar 1955.
In den 70er Jahren
bekam er allerdings alle seine Orden und Ehrungen,
inklusive des Generalsranges, posthum wieder zuerkannt. Außerdem
steht er im Guinessbuch der Rekorde des Jahres 2010, als der
''produktivste Henker''.
Sein Grab ist ein
Gemeinschaftsgrab, mit seiner Frau, die ihn um 12 Jahre überlebte. Dort steht ein Grabstein mit seinem Portrait, in vollem Prunk als
General. Und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass dieses
Grabmal nur einen Steinwurf von dem berüchtigten Massengrab entfernt
ist, in welches man anonym die Asche vieler Hingerichteter streute.
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