Donnerstag, 4. September 2014

Der Henker im Generalsrang

Die Tätigkeit eines Henkers war in der Zeit Stalins eine Akkordtätigkeit. Einer derjenigen, welcher die meisten Vollstreckungen eigenhändig ausgeführt hatte war Wassili Michailowitsch Blochin. In einer Nacht soll er 200 bis 350 Leute eigenhändig per Kopfschuß erschossen haben. Ein einfacher Hirtenjunge aus einem kleinen Dorf der auszog und Rekordhenker wurde. Im Generalsrang soll er noch am Tag nach Stalins Tod seine letzten eigenhändigen Exekutionen vorgenommen haben, bevor man ihn in den Ruhestand versetzte. Wer war dieser Mann aus dem Örtchen Gawrilowskoje?




 

Am Ende waren wir immer voller Blut, wir wischten uns die Hände an den eigenen Haaren ab … Unsere Arbeit war kein Zuckerschlecken, wenn einer nicht gleich tot war, fiel er um und quiekte wie ein Schwein, spuckte Blut, Gebrüll und Fluchen auf beiden Seiten. Essen durfte man vorher nicht. Am Ende der Schicht brachte man uns zwei Eimer – einen voll mit Wodka und einen voll mit Kölnischwasser. Mit dem Kölnischwasser wuschen wir den ganzen Oberkörper. Blut hat einen intensiven Geruch. Ich hatte einen Schäferhund, der ging mir immer aus dem Weg, wenn ich von der Arbeit kam.“ - Bericht eines Henkers
(J. Baberowski, Verbrannte Erde. Stalins Herrschaft der Gewalt, München (C.H. Beck) 2012, ISBN 978-3-406-63254-9.)


Vom Hirtenjungen zum Tschekisten

Als Sohn einfacher Bauern wurde Wassili Maichailowitsch Blochin am 7. Januar 1895 in Gawrilowskoje in einfachen Verhältnissen geboren. Ab seinem 10. Lebensjahr arbeite er als Hirtenjunge in der Gemeinde Turow und ab dem 15. Lebensjahr als Maurer für einen Bauunternehmer in Moskau. Im Jahre 1915 wurde er geworben für das 82. Reserve-Infanterieregiment und wurde dort zum Unteroffizier befördert. Am 2. Juni 1917 wurde Blochin, mittlerweile Feldwebel im 218. Infanterieregiment, an der deutschen Front verwundet und befand sich bis Dezember 1917 im Lazarett in Polozk. Bis Oktober 1918 blieb er in seinem Heimatdorf und trat dann in die Rote Armee ein. Im April des Jahres 1921 wurde er Mitglied der kommunistischen Partei. Am 25. Mai 1921 wurde Blochin in das 62. Btaillon der Tscheka, der späteren Staatssicherheit, versetzt. 
  
Karriere als Chefhenker

Nun machte Blochin Karriere als Tschekist. Ab November 1921 war er Angehöriger einer Spezialeinheit der Tscheka, wo er ab Mai 1922 Zugführer wurde. Am 16. Juli 1924 wurde er stellvertretender Kommandeur der 61. Division für besondere Aufgaben der OGPU. Die OGPU ging aus der Tscheka hervor und bildete nun die Staatssicherheit der 1922 gegründeten Sowjetunion. (Diese Organisation wurde öfter umbenannt und umstrukturiert, bis sie schließlich die Form des allseits bekannten KGB annahm.) Am 22. August 1924 wurde Blochin zum Sonderkommisssar des OGPU ernannt und zu seinen Aufgaben gehörten Hinrichtungen. Tatsächlich fand sich ab 1925 regelmäßig Blochins Unterschrift unter den Hinrichtungsprotokollen. Nebenbei absolvierte Blochin ein Fernstudium im Bauingenieurwesen am Institut für Weiterbildung von Facharbeitern. 

In seiner Funktion als sozusagen 'Chefhenker' hatte Blochin die offizielle Funktion eines Kommandeurs des internen Gefängnisses in der Ljubljanka, dem Hauptsitz der Staatssicherheit. Diese offizielle Funktion ermöglichte es ihm, seine Arbeit mit einem Höchstmaß an Diskretion durchführen zu können. Auch wenn die meisten der Hinrichtungen in der Stalinzeit von lokalen Mitgliedern der Staatssicherheit ausgeführt wurden, lag die Fachaufsicht meistens bei den zentralen Dienststellen. Neben der operativen Fachaufsicht betätigte sich Blochin auch selbst als Henker, vor allem, wenn es um ehemals hochgestellte Personen ging. So führte er persönlich die Hinrichtungen durch bei den Verurteilten aus den Moskauer Schauprozessen und seinen eigenen ehemaligen Vorgesetzten Jagoda und Jeschow. Als der neue Geheimdienstchef Berija ihn loswerden wollte, wäre Blochin fast selber exekutiert worden, doch Stalin höchstpersönlich strich ihn von der Liste.
  
Der Mann mit der Lederschürze

Der Chef des NKWD in der Oblast Kalinin (heute Twer), Dmitri Tokarjew, berichtete: Auf unserem Weg ... erblickte ich den ganzen Schrecken… Blochin hatte seine Spezialkleidung dafür: eine braune Lederkappe, eine lange braune Lederschürze, braune Lederhandschuhe mit Stulpen, die bis über die Ellbogen reichten. Das machte auf mich einen gewaltigen Eindruck. Ich hatte einen Henker vor mir! Unter Blochins Aufsicht wurden in Kalinin im Frühjar 1940 über 7000 polnische Kriegsgefangene exekutiert. Diese Exekutionen waren Teil des Massakers von Katyn.
Die Gefangenen wurden dazu in einen rot gestrichenen Vorraum geführt, angeblich zur Feststellung der Identität, bevor sie ergriffen und gefesselt in den Exekutionsraum geschafft wurden. Dieser Raum war schalldicht präpariert und mit einem Ablauf für das Blut ausgestattet. Dort wurden die Gefangenen von Blochin in Empfang genommen. Dieser erwartete in oben erwähntem Aufzug, also Lederschürze, Mütze, Handschuhe und Gummistiefel, hinter der Tür die Gefangenen, welche dann mit einem Schuss in den Schädel, ohne weitere Formalitäten, exekutiert wurden. Dazu verwendete er Pistolen des Herstellers ''Walther'', wie sie in deutschen Polizei- und Geheimdienstkreisen verwendet wurden. Davon hatte er mehrere in einer Aktentasche dabei. Er bevorzugte dieses Fabrikat, weil es beim intensiven Gebrauch zuverlässig war und außerdem den Vorteil bot, dass bei einer späteren Entdeckung der Leichen, es einfacher war die Hinrichtungen den Deutschen anzulasten. Etwa 30 Mitarbeiter des NKWD waren an der Operation beteiligt. Die Exekutionen wurden meist nachts durchgeführt. Auch wenn er teilweise abgelöst wurde, zog es Blochin vor den größten Teil der Exekutionen eigenhändig auszuführen.

Tod und Nachruhm eines Henkers
 
Nach Stalins Tod wurde der Mann für die ''schwarze Arbeit'', wie es Stalin auszudrücken pflegte, in der Form nicht mehr gebraucht. Der Chef der Staatssicherheit Berija, noch höchstpersönlich, versetzte Blochin, unter Anerkennung seiner ''hervorragenden Dienstauffassung'', in den Ruhestand, bevor auch er hinwegentstalinisiert wurde.

Im Zuge der Chruschtschow Ära wurden Blochin seine Auszeichnungen, sein Rang und die Rente aberkannt. Er soll daraufhin in schwere psychische Erkrankung versunken sein, sich dem Alkoholismus hingegeben haben, um schließlich durch Suizid, einem Henker seines Ranges durchaus würdig, aus dem irdischen Dasein zu scheiden. Andere Quellen berichten davon, dass er selbst seinen Henker getroffen haben soll und durch dessen Kugel seines Atems beraubt wurde. Beides sowohl standesgemäß, als auch nur zu folgerichtig, zum Beschließen eines solchen Lebens. Doch meist gilt ja: Je banaler, desto wahrscheinlicher. Wieder andere sagen nämlich aus, dass er ganz banal an den Folgen eines Herzinfarktes verstorben sein soll, am 3. Februar 1955. 

In den 70er Jahren bekam er allerdings alle seine Orden und Ehrungen, inklusive des Generalsranges, posthum wieder zuerkannt. Außerdem steht er im Guinessbuch der Rekorde des Jahres 2010, als der ''produktivste Henker''.

Sein Grab ist ein Gemeinschaftsgrab, mit seiner Frau, die ihn um 12 Jahre überlebte. Dort steht ein Grabstein mit seinem Portrait, in vollem Prunk als General. Und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass dieses Grabmal nur einen Steinwurf von dem berüchtigten Massengrab entfernt ist, in welches man anonym die Asche vieler Hingerichteter streute.



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