Samstag, 11. Juli 2015

Das Osmanische Reich: Klassische Militärstruktur



Jahrhundertelang ging der Schrecken um in Europa und dieser nannte sich „Türkenfurcht“. Unbesiegbar waren die fremden Heere – Unbesiegbar und furchteinflößend. Prunkvoll und bunt gingen sie in die Schlacht. Der Schlachtruf und der dröhnende Rhythmus der Militärmusik ging den Gegnern in Mark und Bein. Wer waren diese Krieger?


Der Grundstein zum Osmanischen Reich wurde durch die militärische Expansion gelegt und das Militär war nicht nur in der Außendarstellung einer der maßgebenden Identifikationsfaktoren. Dennoch kann man hier nicht von einem Militärstaat nach heutiger Definition sprechen. Wenn man das Osmanische Reich vergleicht, dann sieht man, dass es sich gemessen an den Jahren der Kriegführung und den militärischen Ausgaben, durchaus im europäischen Durchschnitt befindet. Dennoch ist eine klare Abgrenzung von staatlicher Organisation und Militär problematisch, da sowohl der zentralistische Staat wie auch das Militär in der politischen Organisation eine Schlüsselstellung hatten. 

Frans Geffels (1635–1671) Entsatzschlacht von Wien (Museum Karlsplatz) 

Die Anfänge und das Timarsystem

Mit dem Zerfall des Seldschukenreiches entstanden eine Vielzahl kleiner Fürstentümer. So begründete auch Osman I. (1258/59 – 1326) die Dynastie der Osmanen, welche nach ihm benannt ist. Diese wird zurückgeführt auf den Stammesverbund der Oghusen (Oğuzlar). Dem Fürstentum der Osmanen, dessen Gründung etwa um 1299 erfolgte, kam eine strategisch günstige Lage zugute, da es direkt an byzantinisches Gebiet grenzte. Diese Tatsache förderte den Zustrom turkmenischer Stammeskrieger im Kampf gegen Ungläubige und um weltlichen Besitz. Die anfängliche Taktik dieser Krieger war so einfach wie effektiv: Man verwüstete und verbrannte die Felder der Gegner und belagerte dann deren Städte, welche dann ohne Nachschub schnell eventuelle Widerstandswünsche aufgaben.
Die Gefolgschaft dieser Kämpfer sicherte sich Osman I. geschickt, denn die Entlohnung dieser Kämpfer geschah wahrscheinlich schon zu seiner Zeit nach dem sogenannten Timarsystem, einer Abwandlung des Iqta-Systems der Abbasiden. Dies bedeutete, dass die Stammeskrieger mit Militärpfründen belohnt wurden und so an den Fürsten und den entstehenden Staat einerseits gebunden wurden, andererseits der Staat bzw. die eroberten Gebiete organisiert wurden. Die Militärpfründe oder Timare dienten, über die jeweiligen Einnahmen, wie Pachten, Steuern, Abgaben etc., dem Unterhalt des jeweiligen Kriegers und wurden gemäß der zu erwartenden Einnahmen, ihrer Größe entsprechend eingeteilt. Als Bemessungsgrundlage hierfür diente der sogenannte Akçe, eine osmanische Silbermünze.
Die Timare wurden den Kriegern, sogenannten Timarioten, auf Lebenszeit überlassen, galten allerdings nicht als deren Besitz, da Grundbesitz ausschließlich dem Sultan vorbehalten war. Somit waren auch die Möglichkeiten der Vererbung nur bedingt gegeben.
Diese Timare gab es in verschiedenen Größen, von einem Akçe bis 19.999. Aus der Zeit Süleyman des Prächtigen (1495 – 1566) ist überliefert, dass der sogenannte “Schwertanteil” (Kiliç) eines Timars, also der Anteil der zur Heerfolge in gut gerüstetem Zustand verpflichtete, 1.000 Akçe betrug, wobei ab 3.000 Akçe ein weiterer Krieger (Cebeli) zu stellen war. Die Zahl dieser Krieger konnte sich in weiteren Schritten von jeweils 1.000 Akçe auf weitere (bis zu 7) Männer mehren, die vom jeweiligen Timarioten auszuheben, auszubilden, auszurüsten und anzuführen waren.
Ab der Größe von 20.000 Akçe sprach man von sogenannten Ziamet und ab 100.000 Akçe von Has, welche für Verwalter und Provinzfürsten vorgesehen waren.



Der Staat und die Organisation

In der Zeit bis kurz nach der Eroberung von Konstantinopel (1453) formte sich eine schlagkräftige Armee. Das osmanische Militär bestand in seiner Anfangsphase vorwiegend aus Reiterei, in Form einer nomadischen Steppenkavallerie. Außerdem entstanden, im Zuge der weiteren Entwicklung, auch Infanterieeinheiten (Piyade), die sogenannten Haşer und Yaya, die aus jungen Dorfbewohnern gebildet wurden, welche auf ein geregeltes Einkommen hofften. Diese Erfindung war keineswegs neu, denn auch andere Länder des Kulturkreises hatten ähnliche Einheiten. Wobei hier allerdings zu beachten ist, dass es im Osmanischen Reich eine strikte Trennung zwischen dem Bauernstand und den Kriegern gab, da man befürchtete, dass die Versorgung durch eine zu große soziale Mobilität, also dem Wechsel vom einem zum anderen Stand, gefährdet werden könnte. Den sich zentralisiert entwickelnden Staat und das Militär reorganisierte Mehmet II. (1430 – 1481) grundsätzlich, da auch die Unberechenbarkeit von Stammeskriegern zum Problem hätte werden können.

An der Spitze des Staates stand der Sultan aus dem Hause Osman, als uneingeschränkter Herrscher, mit absoluter Autorität in allen Fragen. Ihm zur Seite stand ein Staatsrat (Diwan) der aus Wesiren (ähnlich Ministern) gebildet wurde und dem der Großwesir vor stand. Das Reich selbst war untergliedert in Großprovinzen (Eyalet), bei denen Rumeli (Rumelien) und Anadolu (Anatolien) eine Sonderstellung (Kernprovinzen) hatten. Diese Großprovinzen wurden durch einen Beylerbey geführt und untergliederten sich in Sandschaks (in etwa Verwaltungsbezirke), die von Sanschakbeys geführt wurden und sich wiederum in Gerichtsbezirke (Kaza) sowie in die jeweiligen Militärpfründe unterteilten. Des weiteren gab es Vasallenstaaten, also autonome Gebiete, die dem osmanischen Herrscher zum Tribut und auch teilweise zur Heerfolge verpflichtet waren. Die oberste religiöse Autorität des Staates war der Scheichülislam (Şeyh-ül islam), der auch Mufti der Hauptstadt war. Der Kazasker war der oberste Heeresrichter und gleichzeitig Mitglied des Diwan. Dieser ernannte auch die Richter der Gerichtsbezirke (Kadi). In der weiteren Entwicklung gab es je einen Kazasker für Rumelien und Anatolien.

Es kam nun also zum organisatorischen Anfang einer neu gegliederten Verwaltung, die somit auch gezwungen war die Armee neu aufzustellen. Alle Einheiten wurden durch Gesetze (Kanun) geordnet, in welchen auch die Bezahlung, entweder durch Geld, Beute oder durch Militärpfründe, festgelegt wurden. Es bildete sich somit eine Kernstruktur des osmanischen Militärs heraus, die unter Süleyman dem Prächtigen zu ihrer vollen Entfaltung gelangen sollte. Die Grundsätzliche Einteilung erfolgte in Provinztruppen (Eyalet askerleri) und Pfortentruppen (Kapıkulu Ocakları), die dem Sultan direkt unterstanden und von ihm mit Sold entlohnt wurden.

 "Spahis" (Knötel Uniformenkunde)

Die Provinztruppen (Eyalet askerleri), Freiwilligen und Hilfstruppen

Den Kern der Provinztruppen bildeten die Timarioten, die schwer gerüstet und bewaffnet als sogenannte “Sipahi” in den Krieg zogen. Das Wort Sipahi stammt aus dem Persischen und ist in etwa mit “Kriegsmann” zu übersetzen, steht also allgemein für einen berittenen schweren Krieger. Diese hatten in ihrem Gefolge die sogenannten “Cebeli”, also die von ihnen auszubildenenden und auszurüstenden Krieger. Die Einheiten der Provinztruppen waren in Bölük eingeteilt, die durch einen Subaşi geführt wurden. Jeweils zehn dieser Bölük unterstanden einem Miralay bzw. Alaybeg. Kommandiert wurden diese Truppen vom jeweiligen Sandschakbey.

Des weiteren schlossen sich den Provinztruppen eine Vielzahl von freiwilligen Verbänden an, die teilweise besoldet wurden oder von Kriegsbeute lebten. Außerdem schlossen sich hier auch die Hilfstruppen der Vasallen der Schlachtordnung an. Sowohl die Freiwilligen als auch die Hilfstruppen bestanden aus Kavallerie oder Infanterie. Es gab eine Vielzahl von Truppen, beispielsweise die Akinci, Deli (Tollkühne), Gönöllü (Begeisterte), Yaya, Derbenci, Tataren, Hayducken, Mamluken, Panduren, Voynuk, Martolos und immer so weiter.

Eine besondere Bedeutung für die Schlachtordnung hatten hier die Akinci, die als leichte Reiterei die Voraustruppen bildeten und somit die Aufklärung übernahmen. Sie erwarben sich bei den Gegnern den Ruf sogenannter “Renner und Brenner”, da sie von Kriegsbeute lebten und somit im Vorfeld die gegnerischen Gebiete plünderten sowie gefangene Männer, Frauen und Kinder als Sklaven verkauften. Sie bestanden aus ganzen Clans, deren Positionen in der Rangfolge teilweise sogar erblich waren und die sogar auch erbliche Pfründe erhielten (bspw. der Clan Mihaloglu in Widin), was im Osmanischen Reich äußerst ungewöhnlich war. Später wurden die Akinci durch die Tataren ersetzt, die infolge des Eingreifens von Mehmet II. zugunsten von Khan Meñli I. Giray im Thronfolgestreit auf der Krim (1478) zur Heerfolge verpflichtet waren. Diese Operationen im Vorfeld der Schlachtordnung hatten auch einen, nicht zu unterschätzenenden, Einfluss im Rahmen der psychologischen Kriegführung, wozu auch der Einsatz der Musiktruppen (Mehti), insbesondere der schweren Trommeln,  gerechnet werden kann.

Zwei Führer der Akinci in der Schlacht von Mohács 
(Ausschnitt aus einer Miniatur des Süleymanname 16. Jh.)

Viele der freiwilligen Truppen, wie beispielsweise die Deli und Gönöllü, rekrutierten sich aus der Provinzbevölkerung. Sie wurden teilweise von den Provinzfürsten bezahlt und als Leibwachen eingesetzt. Sie erwarben sich, wie auch bestimmte Hilfstruppen, teilweise einen legendären Ruf, weil sie todesmutig und kampfstark agierten. Einen äußerst gefürchteten Ruf bei den Feinden des Osmanischen Reiches hatten auch bestimmte (teilweise christliche) Hilfstruppen, wie die “Voynuk” oder die serbischen Panzerreiter. Die lose Struktur vieler Freiwilligenverbände lässt im Nachhinein oftmals nur schwer einen Rückschluss auf die ursprüngliche Herkunft ihrer Angehörigen zu. Es ist aber, auch aufgrund zeitgenössischer Quellen, anzunehmen, dass viele aus den eroberten Gebieten, so auch Slawen im Westen, sich den Türken anschlossen und zum Islam konvertierten.

Die Infanterie wurde, neben verschiedenen Freiwilligen und Hilfstruppen, auch durch die sogenannten Azab (Unverheiratete) gestellt. Bei den Azab kann man von einer frühen Form der Wehrpflicht sprechen, denn auf 30 anatolische Haushalte war ein unverheirateter Infanterist zu stellen.

Die Pfortentruppen (Kapıkulu Ocakları)

Der Begriff „Hohe Pforte“, aus dem sich auch der Begriff der Pfortentruppen ableitet, steht als Synonym für die Regierung des Osmanischen Reiches (auch im Zusammenhang mit anderen Regierungen des orientalischen Kulturkreises benutzt) und läßt sich auf die hohe Pforte des Sultanspalastes zurückführen, an welcher unter anderem ausländische Gesandschaften empfangen wurden.

Die Pfortentruppen bestanden aus sechs Kavallerieeinheiten (Altı Bölük Halkı), den berühmt-berüchtigten Janitscharen sowie aus der Artillerie (Topçu Ocağı) und verschiedenen Sonder- und Spezialeinheiten. Sie stellten das "Stehende Heer" des Sultans dar und wurden auch von ihm bezahlt. Der Vorteil einer stehenden Truppe liegt klar auf der Hand, denn diese steht sofort auf Abruf bereit. Die sich daraus ergebenden Nachteile sind vielschichtig, wie beispielsweise die Bezahlung auch zu Zeiten, wo sie nicht benötigt wird, bis hin zum Risiko, welches sich für den Machthaber ergibt, wenn Berufskrieger schwer bewaffnet und gut ausgebildet ständig präsent sind.
Die Rekrutierung der Kapıkuları, also "Sklaven der Pforte", erfolgte über die Knabenlese – Devşirme. Die Knabenlese wurde auch in den besetzten Gebieten systematisch durchgeführt. Die besonders für das Militär begabten jungen Burschen wurden dann in das Kadettenkorps (Acemi Ocağı) aufgenommen.

Die Kavallerie (Süvari) bestand im Kern aus schweren Reitern (Sipahi) und den sogenannten "Silahdari" (pers. "Waffenträger"). Sie rekrutierten sich aus begabten Schülern der Palastschule (Enderun). Die Silahdari hatten unter anderem auch die Aufgabe die Feldzeichen zu bewachen. Zur Seite standen ihnen die Besoldeten (Ulûfeciyân-ı ) zur Rechten und zur Linken, denen wiederum die Fremden (Gurebai) zur Rechten und Linken zur Seite standen. Diese bewachten die Kriegskasse und nahmen militärpolizeiliche Aufgaben wahr. 

Offiziere der Pfortentruppen (2. v. rechts Tschausche/çavuş)

Den Kern der Pfortentruppen bildete das Korps der Janitscharen, die der Legende nach um das Jahr 1330 herum von Orhan I. (1281 – 1359) begründet worden sein sollen, als Leibwache des Sultans. Dabei soll er den berühmten Hadschi Bektasch, auf den der sufistische Bektaschi-Orden zurückgeht, um seinen Segen für diese Elitetruppe gebeten haben. Erwiesen ist, dass ab dem 16. Jahrhundert Derwische der Bektaschi in der Nähe der Janitscharengarnisonen lebten, um die geistliche Betreuung der Truppe sicherzustellen.
Man geht heute allerdings davon aus, dass die Gründung der Janitscharen erst durch Murad I. geschah. Diese Yeñi çeri also Neue Truppe stellte erstmals eine stehende Einheit dar. Das Korps war unterteilt in drei zahlenmäßig ungleichen Einheiten (Cemaat; Aga-Bölük; Sekban), welche wiederum in Ortas unterteilt waren. Die Ränge der Janitscharen waren bezeichnet wie die von Küchenpersonal, etwa çorbacı-başı – Suppenmeister oder aşcı-başı – Chefkoch, während die Einheiten Bezeichnungen einer Jagdgesellschaft trugen, welches auf die ursprünglichen Aufgaben der Truppe zurückzuführen ist.
Das Aufgabenspektrum der Janitscharen umfasste, neben Infanterieeinsätzen in der Schlacht, die Bewachung von Festungen, die Sicherstellung von Ordnung und Sicherheit in Städten und Sicherheitsaufgaben für den Sultan. So waren sie über das ganze Reich aufgeteilt.
Den Sultan umgaben in der Öffentlichkeit die stets mit schußbereiten Bögen bewaffneten Solakları (türk. "solak" – links), welche sich aus den Janitscharen rekrutierten. Sie trugen helmartige Kappen, mit hohen fächerartigen Federbüschen (süpürge), die den Sultan vor Blicken schützen sollten. Auch die sogenannten Peykis (pers. etwa Meldegänger), deren Zeichen eine Art Doppelaxt war, gehörten dazu. 

Janitscharen

  Prozession zum Freitagsgebet
Der Orientreisende Louis-François Cassas (1756-1827) malte während seines Aufenthaltes in Konstantinopel Sultan Abdülhamid bei einer Prozession. (Schön zu sehen die Süpürge der Solaklari, die hier allerdings schon mit Pistolen bewaffnet sind, und die Doppeläxte der Peykis)

Das osmanische Militär war eines der ersten, welches Artillerietruppen aufstellte und Feldgeschütze sowie schwere Geschütze gezielt einsetzte. Hinweise darauf datieren aus dem späten 14. bis beginnenden 15. Jahrhundert. Bei der Belagerung Konstantinopels (1543) kam sie ebenfalls zum Einsatz. Das Artilleriekorps (Topçu Ocağı) gehörte ebenfalls zu den Pfortentruppen und wurde anfänglich hauptsächlich mit Christen aufgestellt, wie die Tayfa-i efreciye. Später erfolgte die Ausbildung an der Palastschule und ab dem 18. Jahrhundert an Militärakadiemien. Die Artillerietransporttruppe bzw. Protzentruppe (Top Arabacıları Ocağı) war anfänglich für den Transport der Artilleriegeschütze zuständig und später allgemein für militärische Transportaufgaben. Zu diesem Zweck wurde zu Kriegszeiten Personal für die Fuhrwerke rekrutiert. Die Waffenschmiede (Cebeci Ocağı) war zuständig für die Entwicklung, Fertigung und Bereitstellung (auch Transport) von Waffen. In Friedenszeiten bewahrten sie das Waffenarsenal auf. 

 Topçubaşı und Cebeciler Kethüdası 

Außerdem war im osmanischen Militär auch der Einsatz von Musikkapellen (Mehti) sehr viel früher als in westlichen Armeen üblich. Jeder größere Führer hatte eine eigene Kapelle, die ihm zusätzlich zu den anderen Zeichen seines Ranges, in einer besonderen Zeremonie verliehen wurde. 

Mehterhâne aus dem Surname-ı Vehbi von Levni (1720) 

Weiterhin gab es eine Reihe von Sonder- und Spezialtruppen wie Minenleger  (Lağımcılar), Grenadiere bzw. Bombardiere (Kumbaraci), Pioniere, Zeltaufsteller, Logistiktruppen, Sanitätstruppen und so weiter. Diese Truppen wurden bei den Pfortentruppen ausgebildet und aufgestellt.

Ferner kann man die Hofbeamten, Tschauschen (çavuş) und Müteferrika, zu den Pfortentruppen zählen, sofern sie militärische Aufgaben wahrgenommen haben. Dazu gehörten Aufgaben im Bereich der Nachrichtenübermittlung (Botendienste), der Militärpolizei, der militärischen Verwaltung (u.a. Soldzahlungen), der Militärjustiz und Adjutantendienste. Als Militärbeamte waren sie besoldet und disziplinarisch den Pfortentruppen unterstellt.

Die osmansischen Seestreitkräfte

Auch wenn der Schwerpunkt der osmanischen Kriegführung auf dem festen Land war, verfügte das osmanische Militär über recht erfolgreiche Seestreitkräfte. Die Ausdehnung der osmanishen Macht auf dem Land wurde durch das Meer begrenzt. Dabei allerdings traf man auf Küstenbewohner, die sich schon seit der Antike mit Seefahrt auskannten. Die türkischen Beylik nutzten diese Erfahrungen, um kleine Flotillen zu errichten, die vorwiegend der Seeräuberei dienten.

Unsprüngliche Aufgabe der Marine war der Truppentransport auf dem Seeweg, da sich dies aufgrund der geographischen Lage als notwendig erwies. Ein erstes zentrales Flottenarsenal gab es 1390 in Gelibolu, wobei allerdings anfänglich italienische und griechische Schiffseigner hauptsächlich für die Truppenverlegung auf dem Seeweg zuständig waren. Die hinzugekommenen Inseln und Küstengebiete wurden in das Timarsystem überführt, also zu Militärpfründen, wobei der Sadschakbey von Gelibolu gleichzeitig Marineoberbefehlshaber wurde.

Bei der Eroberung Konstantinopels (1453) schuf die Flotte, beim Übersetzen über Land, vom Bosporus ins Goldene Horn, eine neue Front im Belagerungsring. Gleich nach der Einnahme der Stadt wurden die byzantinischen Arsenale erneuert und nach der Eingliederung des genuesischen Stadtteiles Galata ein neues Arsenal am Goldenen Horn gebaut. Unter Mehmet II. gelangen auch mehrere erfolgreiche Seekriegszüge, so die Eroberung der Insel Euböa (1470), die Eroberungen der Inseln Imbros, Thasos, Samothrake, Lemnos und Lesbos. Unter Selim I. (1470 – 1520) wurde der Ausbau der Flotte weiter vorangetrieben. 

Ende des 15. Jahrhunderts wurde das Schwarze Meer (Kara Deniz) endgültig Herrschaftsgebiet des osmanischen Reiches. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts folgte das östliche Mittelmeer (Ak Deniz). Der schwerreiche Korsar Khair ad-Din (1478 - 1546) hatte Algerien erobert und stellte sich unter die Herrschaft der Osmanen. Er wurde vom Sultan zum Pascha ernannt und aufgrund seiner erfolgreichen Seeräubereien zum Kaptan-ı Derya, Marinebefehlshaber. Er wurde nun Hayreddin Pascha genannt und wegen seines roten Bartes im Westen Barbarossa. Ihm gelang es im Jahre 1538, in der Seeschlacht von Preveza, eine Flotte der "Heiligen Allianz", bestehend aus der Übermacht von über 300 Schiffen, unter dem Befehl des Genuesen Andrea Doria, mit seiner Flotte aus etwa 120 Galeeren und Galeoten zu besiegen. Dieser Sieg über die christliche Übermacht wird gern auf die Uneinigkeit unter den christlichen Teilnehmern und die Zögerlichkeit des Oberbefehlshabers der Flotte der "Heiligen Allianz" zurückgeführt. 

Durch ein Bündnis zwischen Süleyman I. und König Franz I. von Frankreich, überwinterte 1543 die osmanische Flotte in Toulon, nachdem sie erfolglos Nizza belagerte. Nach Raubzügen an der spanischen und italienischen Küste kehrte die Flotte 1544 nach Konstantinopel zurück.  

Es gab noch einige sehr fähige osmanische Marinebefehlshaber, die zu Berühmtheit gelangten, beispielsweise der berühmte Kartograph Piri Reis (1470 – 1554/55), Turgut Reis (- 1565) oder Piyale Paşa (1515 – 1578)

Ohannes Umed Behzad, Seeschlacht von Preveza 1538 (Marinemuseum Istanbul)

Mit der Eroberung von Buda (1541) wurde die Donau zum wichtigsten Transportweg bei der Versorgung der osmanischen Armee auf dem Balkan. Dabei hatten die Sandschaks an der Donau den wichtigsten Anteil an der Donauflotte. Sie waren Zuständig für den Ausbau, die Versorgung sowie für die Bemannung der Schiffe. Oberbefehlshaber der Flotte war der Tuna kaudani, der über die Fahrzeuge der Donau, Save, Drine, Drav und Morava verfügte. Während der Feldzüge von Sultan Süleyman I. bestand die Donauflotte aus etwa 250 Transportschiffen und Fähren und ungefähr 50 Kampfschiffen. Zusätzlich wurden zur Lebensmittelversorgung der Armee noch private Schiffe angeworben, die vor allem Korn, Gerste, Heu, Holz und Schafe transportierten.

Die Rang- und Feldzeichen

Der Rossschweif (Tuğ) wurde von den Osmanen rund 400 Jahre als Würdeabzeichen verwendet und war auch bei den Mongolen, Tataren und übrigen türkischen Völkern gebräuchlich. Am Anfang stellte der Rossschweif wohl ein Kennzeichen für den Standort eines Reiterführers dar. Der genaue Rang und die Stellung eines Würdenträgers innerhalb des osmanischen Reiches, war am ehesten an der Anzahl der Rossschweife ablesbar, die dieser führen durfte. Sie wurden zusammen mit den anderen Attributen des jeweiligen Ranges nach einem genauen Reglement verliehen. Die Entwicklung des Tuğ ist im folgenden an einer der vielen, seit dem 16. Jahrhundert weitgehend gleichlautenden Überlieferungen dargestellt:

[Seine Entstehung] führen die Türcken daher / daß / als in den ersten Kriegen mit denen Christen ein Troup Türcken die Fahne verlohren gehabt / so habe der commandirende Officirer seinem Pferde dem Schweiff abgeschnitten / ihm an eine Pique gebunden / und damit seine untergebene Soldaten wieder zum Treffen aufgemuntert und angeführet...(de Ferriol 1719)

Auch wenn sich die Zahlenangaben, je nach Quelle, geringfügig unterscheiden, ist die Rangfolge durchaus ersichtlich:
  • Der Sultan führte sechs, im Kriegsfall bis zu neun Rossschweife
  • Der Großwesier führte fünf Rossschweife
  • Die Wesire, Paschas und der Yeniçeri Ağası führten zwei und bei besonderen Verdiensten drei Rossschweife
  • Die Statthalter (beylerbeyi) von Anatolien und Rumelien sowie die Wojwoden von Moldau und der Walachei führten zwei Rossschweife
  • Die Provinzgouverneure (sancakbeyi) führten einen Rossschweif
In der Grundform bestanden die Rossschweife aus einem gedrechselten und im unteren Teil ausgehölten Holzschaft, mit einer goldenen Kugel an der Spitze, der mit einem gemusterten Geflecht aus unterschiedlich gefärbten Pferdehaaren überzogen und mit Rosshaarbüscheln behängt war. Im Marsch wurden sie dem jeweiligen Würdenträger in der Formation vorangetragen, während sie im Lager vor dem entesprechenden Zelt aufgestellt wurden.

Rossschweife (Zamek Królewski na Wawelu) 

Marsigli, Zelte (Man beachte die fünf Rossschweife)

Das osmanische Heer verfügte auch über eine Vielzahl von Flaggen (Sancak), mit unterschiedlicher Bedeutung. Die Flaggen waren außerordentliche Leistungen des Kunsthandwerkes. Sie waren beeinflusst von persischen und arabischen Gestaltungselementen, aber auch von europäischen.
Die Fahne des Propheten (Sancak-i Şerif ), war der kostbarste und wohlbehütetatse Schatz des osmanischen Feldheeres. Im Kampf wurde sie jedoch niemals an die Front mitgenommen, sondern durch eine Nachbildung ersetzt. Sie fiel niemals in Feindeshand.
Der Sultan führte im Feld mehrere Flaggen, die seine Autorität, die Herkunft und Titel anzeigten. So das Banner des Padischah (Alem-i padisahi), das Banner der Osmanen (alem-i Osmani ) oder die Fahne des Sultans (liwãj-i Sultani ). In Anlehnung an die Sultansflagge und als Zeichen der Zugehörigkeit zum Sultan, führten auch die höheren Würdenträger Flaggen. Dabei nutzte der Großwesier grün in seiner Flagge, die Wesiere purpur und die Beylerbeyi rot.
Wie in anderen Armeen hatte auch im türkischen Heer jede Truppeneinheit ihre Fahne. Dabei führten die größeren und bedeutenden Einheiten ein eigenes "Sancak", während kleinere Einheiten Banner führten, die "Bayrak" genannt wurden. Zuweilen war an der mit einer Eisenspitze, einer goldenen Kugel oder einem Halbmond (hilal) bekrönten Fahnenstange unterhalb des Fahnenblattes ein Beutel mit dem handschriftlichen Koran angebunden. Die Typologie und die zumeist religiösen Symbole der militärischen Fahnen der Osmanen sind noch weitgehend ungeklärt; ob auch bestimmte Farben und Embleme einzelnen Waffengattungen vorbehalten waren, ist bisher ebenfalls nicht bekannt. Im Jahre 1732 zählte Luigi Ferdinando Marsigli 162 verschiedene Zeichen, deren Zuordnung bis heute nicht ganz geklärt ist. Der Name "Sandschak" für einen Verwaltungsbezirk lehnt sich an die Bezeichnung für Fahne, da zur Verleihung des Titels "Sadschakbey" auch die Verleihung einer Fahne gehörte, als Würdeabzeichen und Verpflichtung auf das Amt.



Marsigli, Feldzeichen

Die Befehlsstruktur

Als Oberster Befehlshaber stand der Sultan allen Truppen vor. Dieser beauftragte als Feldherren (Serasker) bestimmte Paschas mit der Durchführung von Feldzügen, sofern er diese nicht selbst anführte. Später zog der Sultan nicht mehr selbst ins Feld und beauftragte den Großwesier mit der obersten Heeresleitung. Die Truppeneinheiten untergliederten sich in sogenannte Ocak (türk "Herd" - vergleichbar mit Korps), Orta (türk "Mitte" - vergleichbar mit Regiment) und Bölük (vergleichbar mit Kompanie)

 Marsigli, Marschordnung

Die Bewaffnung

Die Bewaffnung der osmanischen Krieger bestand traditionell aus Reflexbögen (Yayuk), Streitkeulen und doppelklingigen Krummschwertern. Zu den bevorzugten Fernwaffen der Kavallerie zählten auch die kurzen Wurfspieße (cirid). Zusätzlich gab es leichte Speere von bis zu 3 m Länge, sowie große über 4 m lange Lanzen, die verschiedenartige Wimpel zierten. Gelegentlich waren die Sipahis auch mit Panzerstechern (meç) bewaffnet, die dazu dienten, die Rüstung des Gegners aufzubrechen. 



 Marsigli, Waffen

 Waffen und Rüstung von Sultan Mehmed II.
 
Die charakteristische Waffe der Janitscharen war der Yatağan, eine Hieb- und Stichwaffe von 60 cm Länge. Sie besaß eine eigentümliche, einschneidige Klinge mit zweifacher Krümmung. Sie war so geschliffen, dass sie sich zur Spitze hin verbreiterte, wodurch der Hieb eine größere Wucht hatte. Die Janitscharen sollen es verstanden haben, den Gegnern mit einem Schlag den Kopf abzutrennen, weshalb die Yatağane bei den Europäern als „Kopfabschneider“ gefürchtet waren.

 Yatağan (oben) und Kiliç (Topkapı Sarayı Müzesi)


Im Gegensatz zu westeuropäischen Armeen kamen Gewehre und Musketen im osmanischen Militär recht spät zum Einsatz, trotz des frühen Einsatzes von Artillerie. Während man in Westeuropa bereits im ersten Drittel des 15. jahrhuderts solche Waffen einsetzte, begann man damit im osmanischen Militär erst etwa 60 Jahre später im 16. Jahrhundert. Unter dem Eindruck der Westfeldzüge, rüstete Süleyman der Prächtige ab etwa 1526 zunächst die Janitscharen mit Musketen aus. 

 Janitschar mit Muskete 
Costumes anciens et modernes / Cesare Vecellio (ca. 1521-1601)

Die Feldzugsorganisation und Schlachtordnung

Ein Feldzug wurde ein halbes jahr im Voraus angekündigt und es wurde zur Befehlsausgabe sowie Organisation geladen, was Joseph von Hammer-Purgstall so beschreibt:

Wenn der Sultan selbst ins Feld zieht, werden sechs Monathe zuvor
zwey Roßschweife an dem innersten Thore des Serais (dem Thore der
Glückseligkeit) aufgesteckt. Zu dieser Feyerlichkeit werden die Großen des Hofes
und des Staats, und die Herren des kaiserlichen Steigbügels vom Großwesir
eingeladen, sich vor Sonnenaufgang im kaiserlichen Serai einzufinden. Es
erscheinen demnach die Wesire, der Mufti ...[hier werden nun eine ganz enorme Menge extrem wichtiger Personen aufgezählt]... harren auf dem Soffa auf der innern Seite des Thores der Küche. Hierauf begiebt sich der Großwesir mit seinem feierlichen Zuge ...  von der Pforte, seinem Pallaste, in das Serai des Sultans, wo an dem innersten Thore des Serais Diwan gehalten wird ... Nachdem Jedermann seinen Platz eingenommen, bethen die Gebethausrufer des Serais die Sura des Sieges, nach deren Beendigung die kaiserlichen Roßschweife aus dem kaiserlichen Audienzsaale herabgetragen, von der ganzen Versammlung nach altem Gebrauche mit Ehrfurcht übernommen, und an ihrem Orte aufgesteckt werden. Während dieser Ceremonie bethet der Mufti ... Bey Aufsteckung der kaiserlichen Roßschweife werden Opferthiere geschlachtet, wie am Feste des Bairams nach altem in den Registern aufgezeichneten Gebrauche. Nach dieser gottesdienstlichen Ceremonie verfügen sich alle Großen des Hofes und des Reichs nach Hause.
(von Hammer-Purgstall: Des osmanischen Reichs Staatsverfassung und Staatsverwaltung; Wien 1815)

Ein Feldzug dauerte in der Regel ebenfalls ein halbes Jahr, vom Hizirtag (Anfang Mai) bis zum Kasimstag (Anfang November). Der Grund dafür war die schwierige Versorgungslage eines Riesenheeres in Winterfeldzügen. Während des Marsches der Truppen war deren Versorgung sichergestellt durch Heeresstrassen, die gegebenenfalls im Vorfeld mit notwendigen Gütern an Marschpunkten, in genau festgelegten Abständen, beliefert wurden. Der Zug nach Westen war dabei einfacher zu bewerkstelligen, als der Zug gen Osten. Dies lag schlicht daran, dass die Entfernungen in Richtung Westen nicht so groß waren und die Marschwege besser erschlossen waren durch Ortschaften und Festungen.
Ein riesiger, exotisch wirkender Tross begleitete das osmanische Heer: Lastkamele trugen Proviant, Gepäck und Zelte, Ochsen zogen Kanonen und Lastkarren mit der Ausrüstung der Soldaten. Nicht selten wurde die Versorgung auch auf dem Wasserwege durch die Flotte sichergestellt. Daher entwickelten sich die Feldzüge häufig parallel zu den Flussläufen. Die Versorgungstruppen unterstützten die Streitkräfte mit Nahrungsmitteln, Zelten, Waffen, Rüstzeug sowie der Zubereitung der Nahrung, Lager-, Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten. Die riesigen Lebensmittelvorräte wurden zu Lande oder zu Wasser mitgeführt und auf der Durchreise von der ortsansässigen Bevölkerung angekauft oder konfisziert.

Während die Strategie der Osmanen eher offensiven Grundsätzen folgte, verfolgte man in der Schlacht eher eine defensive Taktik. Im Vorfeld des Heeres schwärmte die leichte Kavallerie aus, also die Ankinci und Tataren. Sie hatten in der Regel drei Tage Vorsprung, um Beute zu machen und zur Aufklärung. So hatte man, durch die Aufklärung, genügend Zeit, bei Feindkontakt die sogenannte „Sultansschanze“ zu errichten. Der aus Serbien stammende ehemalige Janitschar Konstantin aus Ostrovitza schreibt zur osmanischen Schlachtordnung folgendes:

Die Schlachtordnung der Türken – hauptsächlich bei einem entscheidenden
Kampf – sieht folgendermaßen aus: Es gibt vier Sultansbanner, die zum Hof
gehören. Das erste ist weiß und mit goldenen Lettern beschrieben. Dieses Banner
steht über allen anderen, denn es zeigt an, dass die gesamte Streitmacht des
Sultans anwesend ist. Mann nennt es ‘alem sancak, das heißt Banner der
gesamten Macht. Das zweite Banner ist rot, es ist das der höfischen Reiterei.
Das dritte ist grün und rot, das vierte gelb und rot. Beide sind die Banner der
höfischen Janitscharen-Fußsoldaten. Wenn immer diese Banner aufgerollt
werden, befindet sich der Sultan unter seinen Hofleuten. 
 
Die Aufstellung des Heeres des Sultanhofes geschieht wie folgt: Die höfische
Reiterei hat ihren Platz neben dem Sultan, vor ihm stehen die Janitscharen,
hinter ihm die Kamele. Um sie herum werden von allen Seiten Gräben und Wälle
aufgeschüttet. Unterhalb der Gräben werden Schilde in die Erde gerammt, auch
scharfe Säbel liegen bereit und andere kostbar ausgeführte Waffen. Um die
Gräben herum wird allenthalben ein Wall aufgeworfen, in den dicht
nebeneinander Spieße hineingeschlagen werden. Dann werden Stückbette für die
Geschütze aufgestellt, damit man aus den Kanonen schießen kann. Oberhalb der
Schilde stehen Lanzen und andere notwendige Verteidigungswaffen dicht
nebeneinander. Mit den Bögen wird sehr häufig geschossen[...]
Neben der Sultansschanze sind rechter Hand andere Fußsoldaten, genannt ‘azab,
das heißt Fußvolk, aufgestellt worden, diese haben sich ebenfalls mit Wall und
Graben umgeben und Spieße aufgepflanzt, wie zuvor schon beschrieben, nur dass
sie keine solchen Vorrichtungen haben wie die ersteren. Es sind ihrer 20.000...
Auch hinter ihnen befinden sich Kamele und Pferde, die das notwendig
Kriegsgerät tragen. Diese ‘azab sind von jenseits des Meeres aus Anatolien. Es
gibt auch einen anatolischen Großstatthalter, der Anadolu beğlerbegi, das
bedeutet anatolischer Herr der Herren, genannt wird. Bei ihm sind alle
anatolischen Reiter versammelt. Ihm sind 20 Woiwoden [Sadschakbeys/AdA] untergeben, von denen jeder seine Fahne vom Sultan erhalten hat. Neben diesen
gibt es noch 50 subaşı sie stehen jeweils bei dem Woiwoden, dem sie zugeordnet sind.
Diese Reiter sind 60.000 an der Zahl. 
 
Auch auf der anderen Seite des Meeres gibt es einen Herrn der Herren, auch er
hat seine Fahne und seine Abteilung. Sie nennen ihn Rumeli beğlerbegi .
Er ist der höchste nach dem Sultan. Neben ihm stehen 18 Woiwoden, jeder
mit seiner Abteilung und mit seiner Fahne. Sie nehmen in der nämlichen
Ordnung Aufstellung wie oben beschrieben. Neben ihnen wiederum befinden
sich die 50 subaşı, und diese stehen jeweils bei dem Woiwoden, zu dessen
Woiwodschaft sie gehören. Ihre Reiter sind etwa 70.000 an der Zahl [...] 
 
Zur Linken des Sultans stehen wieder andere Fußvolk-‘azab, 20.000 Mann. Sie
stammen aus dem Gebiet diesseits des Meeres, das heißt aus Rumelien. Sie
haben sich auf dieselbe Weise mit Wall und Graben umgeben und Spieße
aufgepflanzt wie die af der rechten Seite. Wenn der Sultan einigen Reitern den
Befehl erteilt, nunmehr in die Schlacht einzutreten, reiten sie ohne Zaudern hinein
und kämpfen bei großem Geschrei und Trommelwirbel. Die Trommler des Sultans
trommeln so heftig dass ein gewaltiger Lärm und ein Dröhnen entstehen, als
bebe die ganze Erde. Dann sendet der Sultan Männer aus seiner Hofmannschaft
auf geharnischten Pferden zu ihnen, damit sie nachsehen, wer eine tapfere Tat
vollbringt und wie sich jeder im Kampfe verhält. Jeder von ihnen hält einen
Streitkolben oder einen Stab in der Hand, womit er zum Kampfe antreibt. Man
nennt sie çavuşlar. Wo auch immer sie sich aufhalten mögen, es ist stets so, als 
sei der Sultan selbst zugegen, denn alle fürchten sie so sehr: Dem, den sie loben, 
wird es gut ergehen, der aber, den sie vor dem Sultan rügen, wird Unglück haben. [...]
 
So also sieht die türkische Schlachtordnung bei entscheidenden Schlachten aus.
Der Sultan begibt sich nie an eine andere Stelle, sondern verharrt bei den
Jantischaren, bis die Schlacht geschlagen ist.“
(Memoiren eines Janitscharen)

Die abendländische Taktik verließ sich lange auf den schlachtentscheidenden Einfluss der schweren Reiterei. Diese jedoch wurde in der Schlacht durch Angriffe von der Flanke ermüdet, bis sie frontal auf die Sultansschanze auflief, wo sie von der Artillerie beschossen und frontal durch schwere Reiterei und Infanterie (Janitscharen) attakiert und zerstreut wurde, um schließlich in die Flucht gejagt oder aufgerieben zu werden.

Auch in der offenen Feldschlacht war der Angriff der osmanischen Streitmacht gefürchtet. Die Aufstellung bestand in der Regel aus drei Treffen:
Das erste Treffen bildeten die in langer Front positionierten Sipahis. Die Linien der Kavallerie wurden beiderseits durch die Feldartillerie verstärkt. Diese eröffnete die Schlacht mit Kanonenangriffen. Gleichzeitig stürmte die leicht gepanzerte Reiterei vor. Die berittenen Bogenschützen schossen ihre Pfeile ab, während dieses Pfeilregens (tir-ı baran) näherten sie sich dem Feind, um sich dann schnell wieder zurückzuziehen und im Wegreiten dem nachsetzenden Gegner rückwärts gewandt mit Pfeilen zu beschießen. Schließlich wichen sie nach rechts und links aus, um den Feind an den Flanken zu umfassen und erneut anzugreifen. Dabei wurde auf die Pferde gezielt, weil die schweren Rüstungen der Gegner von den Pfeilen nicht durchdrungen wurden. Waren die gerüsteten Reiter gestürzt, konnte man sie leicht überwältigen.
Im zweiten Treffen griffen in der Mitte der Schlachtordnung die Janitscharen an, die meist den Kampf entschieden. Sie attackierten ihre Gegner zunächst mit Pfeil und Bogen oder mit Gewehren. Dann stürzten sie sich auf wilde Art mit Yatağan und Säbel in den Nahkampf. Gelang der erste Vorstoß nicht, erfolgten weitere Angriffe, die nach alten Berichten besonders angsteinflößend waren. Im dritten Treffen kämpfte dann die Reserve aus Söldnern und Leibgarden.

Auch die Belagerungen, sozusagen das „Kerngeschäft“ des osmanischen Militärs, wurden ebenso systematisch durchgeführt. Dabei trieben unter anderem die Minenleger ausgedehnte unterirdische Stollengänge mit Kammern (sog. Minen) unter die Mauern der Festungen. In diesen ließen sie dann Sprengstoff explodieren, um die Anlagen zum Einbruch zu bringen. Außerdem rückte man mit allerlei Belagerungsgerät und Kanonen gegen die gegnerischen Befestigungsanlagen vor. 

Topçu bei der erfolgreichen osmanischen Belagerung von Becse im Jahre 1551 

Die Osmanen hatten den westlichen Truppen nicht nur eine bessere Aufklärung und geschicktere Schlachtführung voraus, sondern konnten auch wesentlich größere Heere mobilisieren. Unter Selim I. (1470 – 1520) erreichte die osmanische Armee eine Stärke von 150.000 Mann. Im Vergleich dazu erreichten die kaiserlichen oder französischen Truppen bei der Schlacht von Pavia 1525 eine Stärke von 20.000 bis 30.000 Mann.

Fazit und Ausblick

Der osmanische Staat konnte, mit seiner zentralistischen Organisation, in relativ kurzer Zeit ein Heer aufmarschieren lassen, welches in der Größe die europäischen Heere bei weitem übertraf. Ein weiterer Vorteil war, geprägt auch von der östlichen Kriegführung, dass durch die zentrale Organisation eine Ausprägung von Ordnung und Disziplin erreicht wurde – von der Mobilmachung, über Marsch, Feldlager und Logistik, bis zur Schlachtordnung – die das gesamte Militär wie ein Uhrwerk funktionieren ließ. Es wirkte sich auch positiv aus, dass das Osmanische Reich Vorteilhaftes anderer Völker und Kulturen übernahm.
Lange Zeit konnte der Westen dem osmanischen Militär nichts entgegensetzen. Es blieb aber nicht aus, dass auch die europäischen Gegner sich anpassten in der Begegnung mit „den Türken“. So hatten die „Türkenkriege“ auch entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der westeuropäischen Armeen, der sich sowohl in der Aufstellung bestimmter Einheiten als auch in strategischen und taktischen Fragen niederschlug.
Im weiteren Verlauf gelang es dem osmanischen Militär nicht mehr, mit den waffentechnischen und militärischen Entwicklungen schrittzuhalten. Ursachen hierfür waren unter anderem das Verharren in einem, als Höhepunkt der Entwicklung verstandenen, Zustand und der damit verbundene fehlende Reformwille. Auch die Schwäche bestimmter Sultane, die sich im stark auf das Sultanat ausgerichteten Staat nicht gegen „konservative“ Kräfte, gerade auch im Militär, durchzusetzen vermochten, taten ihr Übriges.
Auf jeden Fall aber haben die Osmanen viele Spuren, auch in der europäischen Geschichte, hinterlassen, deren Auswirkungen bis in die heutige Zeit hineinwirken. Eine weitere Beschäftigung mit diesem äußerst interessanten Themenfeld lohnt sich in jedem Falle.

Literatur

Ágoston, G.: Guns for the Sultan: Military Power and the Weapons Industry in the Ottoman Empire, Cambridge University Press 2005.

Bozdemir, M.: Armee und Politik in der Türkei, Frankfurt/M. 1988.

Crowley, R.: Entscheidung im Mittelmeer. Europas Seekrieg gegen das Osmanische Reich 1521-1580, Stuttgart 2009.

Ferriol, Monsr. de: Wahreste und neueste Abbildung Des Türckischen Hofes / welche nach denen Gemählden / so der Königliche Französische Ambassadeur, Monsr. de FERRIOL, Zeit seiner Gesandtschaft in Constantinopel im Jahr 1707. und 1708. Durch einen geschickten Mahler nach den Leben hat verfertigen lassen / In fünff und sechzig Kupffer=Blatten gebracht worden. Nebst einer aus dem Französischen ins Teutsche übersetzten Beschreibung. Nürnberg 1719.

Hammer-Purgstall, J. von: Des osmanischen Reichs Staatsverfassung und Staatsverwaltung; Wien 1815.

Kreiser, K.: Der Osmansische Staat 1300 - 1922, München 2008.

Lachmann,R.: Memoiren eines Janitscharen oder Türkische Chronik. Graz/Wien/Köln 1975.

Marsigli, L.F.: Stato militare dell'Imperio Ottomanno. L'Etat militaire de l'Empire Ottoman. Den Haag, Amsterdam 1732. Um eine Einführung, Namen- und Sachregister verm. Nachdr. Graz 1972.

Petrasch, E: Die Karlsruher Türkenbeute, München 1991.

Rhoads, M.: Ottoman Warfare 1500-1700, New Jersey 1999.

Uyar, M./Erickson, E.: A Military History of the Ottomans, Santa Barbara 2009.

Uzunçarşılı, I.H.: Osmanlı Devleti Teşkilatında Kapukulu Ocakları (Bd. 1), Ankara 1943.

Zygulski, Z.: Ottoman Art in the Service of Empire, New York 1991.


1 Kommentar:

  1. Ein kleines Gedicht zum Osmanischen Reich:

    OSMANENSTURM

    Es eilten die türkischen Osmanen
    Immer wieder stolz zu den Fahnen.
    Gen Europa galt es mutig zu zieh'n,
    Zweimal standen die Türken vor Wien.

    Man war zum Balkan gekommen,
    Hat Konstantinopel genommen.
    Bei Mohacs und auf dem Amselfeld
    Wurden Europas Weichen gestellt.

    Ehemalige Reiternomaden
    Eroberten die Nachbarstaaten.
    Es wurde Istanbuls Hohe Pforte
    Rasch zum weltpolitischen Orte.

    Man saß in Damaskus und Kairo,
    Jerusalem und Bagdad ebenso.
    Die Sultane im Zenit ihrer Macht
    Entfalteten die herrlichste Pracht.

    Man führte noch mehrere Kriege,
    Erlebte Niederlagen und Siege;
    Endete zum bitteren Schluss
    Als kranker Mann am Bosporus.

    Rainer Kirmse ,Altenburg

    Mit freundlichen Grüßen

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